Vorsatz: schneller Entscheidungen treffen
Ich bin oft zu unschlüssig bei Kleinigkeiten.
Samstag Abend, 21:40 Uhr. Ich tippe die letzten Zeilen eines Blogartikels, korrigiere die Rechtschreibfehler, welche mir mein Browser-Plugin dankenswerterweise anzeigt. Eine letzte Vorschau. Sieht gut aus! Ich klicke auf Veröffentlichen und hake den Punkt zufrieden von der meiner Todo-Liste ab. Fertig!
Ich schaue auf die Uhr, es ist 21:45 Uhr. Produktiv möchte ich nun nicht mehr sein, stattdessen überlege ich, ob ich nicht einen Film anschauen soll. Ich will zwischen 0:00 Uhr bis 0:30 Uhr ins Bett, perfekte Film-Länge. Oder vielleicht eine Runde zocken?
Ich öffne Steam, scrolle unmotiviert durch meine Spiele-Liste. Das eine Spiel wolltest Du doch auch mal weiter spielen denke ich mir, dann fallen mir andere Spiele auf, welche ich mal in einem Sonderangebot gekauft habe, aber noch nie gespielt, geschweige denn überhaupt heruntergeladen habe. Ich überlege hin und her und entschließe mich dann doch für den Plan den Film zu schauen.
Ich schaue auf die Uhr, es ist 22:00 Uhr. Netflix öffnet sich. Begrüßt werde ich von jeder Menge Filme, Serien und Empfehlungen. Unschlüssig scrolle ich durch die Listen, während ich überlege, ob mir heute eher nach Drama, Action, Thriller oder Dokumentation ist. Ich klicke einen Film an, lese die Beschreibung, klicke den nächsten an und lese die Beschreibung. Das Spiel wiederholt sich.
Dann doch ein Film der mich interessiert. Bevor ich den Film starte, wechsle ich zu Amazon. Hier suche ich die Bewertung zum Film. Es folgt Ernüchterung, 3 von 5 Sternen und die erste Bewertung ist mit “Netter Film, aber kein Highlight” betitelt. Mir ist klar, dass meine kostbare Wochenendabendzeit nicht mit einem 3 Sterne Film verbracht werden kann. Also geht die Suche weiter. Ich suche auf Netflix und parallel auf Amazon, wozu habe ich schließlich Prime.
Ich schaue auf die Uhr, es ist 22:30 Uhr. Wie die Zeit vergeht. Ein weiterer Film ist interessant, geht aber 2,5 Stunden. Da komme ich kaum zu meiner Wunschzeit ins Bett, denke ich und suche weiter. Immerhin setze ich den Film auf die Watchlist. Vielleicht am nächsten Wochenende!
Das Spiel geht weiter bis 22:45 Uhr. Es muss doch was Gutes zu finden sein, denke ich mir und bin etwas genervt. Ich kann mich nicht entscheiden, denn ich möchte vermeiden, dass ich meine kostbare Zeit mit einem mittelmäßigen Film verdaddel.
Stattdessen öffne ich Youtube, schaue ein paar kurze Videos an. So verbringe ich die nächste Stunde, bis ich mich am Ende entscheide ins Bett zu gehen. Statt einem guten Film habe ich meine Zeit mit belanglosem Quatsch verbracht. Zufrieden bin ich am Ende nicht.
Der Fluch der Entscheidung: Paradox of choice
Ich kenne das Verhalten auch in anderen Lebensbereichen. Beim Italiener sitze ich vor der Pizzakarte und kann mich nicht entscheiden, ob Schinken oder Salami auf der Pizza sein soll. Im Biergarten bin ich bis zuletzt unschlüssig, was ich essen soll. Immerhin weiß ich das ich Bier will. Wie paralysiert sitze ich vor meiner vollen Todo-Liste und kann mich nicht entscheiden, was ich machen soll.
Alle Entscheidungen haben eins gemeinsam, es sind keine wichtigen Entscheidungen und haben auch keine langfristige Konsequenz. Vielleicht schmeckt mal ein Essen nicht oder ich schaue einen schlechten Film.
Das “Paradox of choice” schlägt zu.
Eine große Auswahl sollte theoretisch helfen, die optimale Entscheidung zu treffen. Das Gegenteil ist der Fall. Freue ich mich im Supermarkt, wenn es vier verschiedene Marmeladensorten gibt, bin ich überfordert, wenn es 20 gibt. Musste ich früher im Fernsehen schauen, was gerade kam, kann ich auf Netflix genau das schauen, was meine Interessen trifft. Theoretisch! In der Praxis sitze wie ein Kaninchen vor der Schlange und zögere, weil eine Entscheidung einen schlechten Film bedeuten könnte. Am Ende sitze ich mit der schlechtesten Lösung da und schaue keinen Film.
Schneller entscheiden
Zur Lösung dieses Problems habe ich mir jetzt ein Zeitlimit für Entscheidungen gesetzt. 5 Minuten, dann muss ein Film ausgewählt sein.
Ich habe mich gezwungen, schnell zu entscheiden, ohne den erstbesten Film zu schauen. Aktuell habe ich frei und schaue jeden Abend einen Film. Bisher war kein schlechter dabei, im Gegenteil, einige Filme wären vermutlich bei meiner vorher sorgfältigen Nichtentscheidung aus irgendwelchen Gründen rausgefallen.
Das Zeitlimit werde ich nun auch bei anderen Sachen anwenden, im Restaurant, bei der Todo-Liste, im Supermarkt.
Mal schauen ob das klappt!
Hey Andy,
Mir kommt das bekannt vor. Zu viel Auswahl ist Gift für mich und meiner Entscheidungsfreudigkeit. In Routinen Situationen wie im Supermarkt bin ich trotzdem sehr schnell unterwegs. Meine Freundin und ich machen vorab eine Einkaufsliste. Ich jeweils sogar in der “richtigen” Reihenfolge damit die Laufwege möglichst kurz sind 😉
In 80% der Fälle sind es die gleichen Lebensmittel und Produkte die wir wöchentlich einkaufen. Diese finde ich mit einem Handgriff, Wenn ich den Wocheneinkauf alleine durchführe bin ich dadurch extrem schnell! Es kommt nur das in den Einkaufskorb was auf der Liste steht.
Hingegen sind neue Situationen oder ein mir unbekannter Lebensmittelladen für mich der blanke Horror. Ich suche die Produkte ewig! Nach langem suchen stehe ich dann meist minutenlang, regungslos vor dem Regal mit diesen 20 Marmeladengläser…
Du bist nicht alleine mit diesem Problem!
Liebe Grüsse
Schweizer-Minimalist
Hi, geht mir beim Supermarkt genauso. Erstmal Überforderung, gewöhne ich mich dann dran und da ich mehr oder weniger das gleiche kaufe, steuere ich dann die “Inseln” nach einiger Zeit zielgerichtet an, bis der Supermarkt mal wieder meint, alles umräumen zu müssen. 🙂
Gruß
Andy
Mein Studium hat mir eins gelehrt: “Choices are bad”.
Ich muss aber sagen, gerade bei Filmen bin ich auch extrem irrational in meinem Entscheidungsverhalten. Ich schaue tausend Mal lieber 6 YouTube Videos mit 10-15 Minuten Länge als einen Film mit 80 Minuten Länge 🙈 Macht keinen Sinn, aber ist glaube ich auch in der “Angst” begründet, etwas anzufangen, das mir nicht gefällt und die Zeit dann “verschwendet” zu haben. 🤷🏼♀️ Eine gute Lösung habe ich auch noch nicht gefunden.
Viele Grüße
Jenni
10 – 15 Minuten! Das ist auch meine bevorzugte Youtube-Video-Länge, teilweise kürzer. Alles darüber hinaus tappe ich schon wieder in die Falle, es könnte ja ein schlechtes Video sein. Wahrscheinlich ist TikTok deswegen so erfolgreich. Kurze Clips, keine Investition an Zeit.
Gruß
Andy
Hallo Andy,
ich kenne das Phänomen auch. In manchen Bereichen bin ich mir aktiv bewusst, das mehr Information oder mehr Auswahl die Entscheidung nicht besser oder schlechter machen. Da bin ich schneller als früher. Bei manchen anderen noch nicht.
Wie wägst Du ab zwischen Prioisierung (ToDo-Liste) und schnellem Entschluss?
Was machst Du oder auch andere, wenn die Zeitfrist von 5 Minunten abgelaufen ist? Wie fällt dann die Entscheidung wenn Sie bis dahin nicht gefallen ist?
Selbst gar keine Entscheidung ist eine Entscheidung. Bei einem Film ggf. nicht schlimm. Bei anderen Sachen dann ggf. Prokrastination?
Oder anders gefragt, was führt dazu, das Du die 5 Minuten einhalten kannst und innerhalb dessen zur Entscheidung kommst? Fukossierst Du Dich dabei bei den Kriterien?
Wahrlich ein wichtiges und interessantes Thema. In der heutigen, immer komplexeren Welt wichtig. Fokus schärfen und unnötige Ablenkung vermeiden. Und trotz vieler Möglichkeiten nicht auf zu vielen Hochzeiten tanzen aber trotzdem die nötigen Informationen aus den schieren Menge herausfischen, die heutzutage teils nötig sind. Kopf in den Sand ist ja nicht nachhaltig.
Immer wieder wichtig, finde ich, sich hier zu reflektieren und “voranzukommen” ohne das es in Optimierungswahn mündet. Sondern darin, Dinge zu verändern, mit denen man selbst unzufrieden ist oder sich nicht wohl fühlt.
Viele Grüße und einen guten Start ins neue Jahr. Danke für Deinen, diesen Blog und die Inhalte und Überlegungen an denen Du Deine Leser teilhaben lässt. Für mich wertvoll und zum Glück nicht im “Mainstream” der meisten Finanzblogs zur Zeit. Top.
Hallo Kurt,
dir ebenfalls noch einen guten Start ins neue Jahr.
Die 5 Minuten habe ich bisher hauptsächlich auf Filme angewendet, das hat bisher ganz gut funktioniert. Ich schaue mir etwas an, setze es dann auf meine mentale Liste oder nicht. Anschließend wird dann halt entschieden und angeschaut. Ich setze mir hier aber auch keinen Timer um genau die 5 Minuten einzuhalten. 🙂
Bei der ToDo-Liste gibt es unterschiedliche Todos. Einige müssen schnell erledigt werden, da ist die Entscheidung recht einfach. Die meisten Todos sind aber für mein Nebengewerbe, da kann ich mir die Zeit einteilen, muss nichts erledigen, wenn ich keine Lust drauf habe. Da stehen dann z.B. Dinge wie Blogartikel zum Thema XY machen, Youtube-Video zu Z, neue Funktion in Software einbauen. Alles sollte irgendwann erledigt werden, aber es ist jetzt nicht kriegsentscheidend, wann ich etwas mache. Dennoch habe ich dann oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich A mache, statt B oder überlege erstmal herum, was ich als Erstes angehen soll. Wenn es blöd läuft, mache ich dann erstmal Youtube auf und prokrastiniere.
Gruß
Andy
Schöner Beitrag. Dient als Anregung, danke dafür.
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